Krankenversicherung: Grundlagen

Krankenversicherung: Grundlagen
Krankenversicherung: Grundlagen
 
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) stellt nach der Rentenversicherung die zweite wichtige Säule im System der sozialen Sicherung dar. Seit 1994 wird sie ergänzt durch die gesetzliche Pflegeversicherung. Im Jahr 1998 lag der durchschnittliche Beitragssatz zur GKV bei 13,5 % (13,9 % in Ostdeutschland), der zur Pflegeversicherung bei 1,7 %.
 
In Deutschland wurden bereits 1883 die ersten - wenn auch bescheidenen und lückenhaften - Netze der Krankenversicherung geknüpft. Grundlage für die GKV ist das Solidarprinzip: Die Versicherten unterstützen sich gegenseitig im Falle eines Einkommensausfalls durch Krankheit. Die Versicherung ist solidarisch, weil alle Versicherten prozentual den gleichen Beitragssatz tragen. Einkommensabhängige Beiträge bei gleicher Leistung führen aber zu Umverteilung. In einer privaten Krankenversicherung dagegen regiert das Äquivalenzprinzip: Die Beiträge bemessen sich nach der Wahrscheinlichkeit des Versicherungsfalls. Je mehr Leistungen die Versicherung tragen soll, desto höher sind die Beiträge. Die deutsche GKV ist eine Pflichtversicherung für alle Arbeitnehmer und Angestellten, Rentner und Arbeitslosen sowie Auszubildenden und Studenten, soweit das regelmäßige Arbeitsentgelt eine bestimmte Obergrenze nicht überschreitet.
 
 Das Problem der »Kostenexplosion«
 
Die staatlichen Ausgaben für Gesundheit sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen, wobei die Gesundheitsausgaben relativ zum Bruttosozialprodukt überproportional gewachsen sind; dies impliziert eine ständige Anpassung der Beitragssätze zur GKV nach oben. Der Gesundheitssektor gewinnt in allen Industrieländern an Bedeutung. Für diese Entwicklung sind mehrere Ursachen verantwortlich; zu nennen sind: die steigende Zahl älterer Menschen, steigende Reallöhne und steigende Preise im Gesundheitswesen und die Reduzierung häuslicher Pflegetätigkeit. Hauptsächlich jedoch verschärfen ökonomische Fehlanreize die Situation. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt z. B.den Patienten eine quasi kostenlose medizinische Versorgung. Im Falle einer Krankheit stehen dem Patienten alle Leistungen ohne weiteres Entgelt zu. Daraus ergibt sich das Problem des moralischen Risikos. Der Patient ist besser als die Krankenkasse darüber informiert, was er zur Genesung benötigt. Die Krankenkasse delegiert daher die Entscheidung über die medizinische Versorgung an den Patienten, verliert aber so die Ausgabenkontrolle. Analog dazu können Patienten generell nicht die Notwendigkeit einer Behandlung einschätzen und delegieren deswegen die Entscheidung über das medizinische Leistungsvolumen an den Arzt bzw. das Krankenhaus. Hier kann der Patient die zur Genesung erforderlichen Kosten nicht mehr kontrollieren. Erst die Gesetze zur Gesundheitsreform korrigierten diese Situation leicht.
 
 Selbstbeteiligung der Patienten und Wettbewerb der Kassen als Lösung?
 
Eine Möglichkeit, die durch moralisches Risiko erzeugte zu geringe Ausgabenkontrolle zu verbessern, bietet die Selbstbeteiligung der Patienten. Wenn der Patient einen gewissen Anteil der durch ihn verursachten Kosten selbst trägt, sollte er generell kostenbewusster handeln. Ähnliches erhoffte man sich durch die Festbetragsregelung der Gesundheitsreform von 1992. Für Medikamente werden nur feste Beträge erstattet. Liegt der Preis eines Präparats mit gleichem Wirkstoff darüber, muss der Patient die Differenz selbst tragen. Dies hat die Kosten zumindest in einem gewissen Maße gedämpft. Grundsätzliches Problem für jedes System von Krankenversicherungen ist, wie der Fall der adversen Selektion behandelt werden soll. In Deutschland garantiert der Zwang zur Versicherung, dass alle einen Versicherungsvertrag erhalten. Niemand kann von einer Versicherung ausgeschlossen werden. Schlecht stellen sich nur diejengen Menschen, die eher geringe Gesundheitsausgaben für sich selbst erwarten. Sie hätten lieber eine billigere, dafür aber auch nicht so umfangreiche Versicherung abgeschlossen. Für Bezieher hoher Einkommen besteht diese Möglichkeit im Rahmen einer rein privaten Versicherung. Für die Pflichtversicherten gilt, dass durch die Zwangsversicherung diejenigen, die keine »Vollkaskoversicherung« wollen, d. h. keinen 100-prozentigen Kostenersatz, alle anderen Versicherten subventionieren. Gleichzeitig führt die GKV mittels der kostenlosen Mitversicherung von Familienangehörigen eine Umverteilung von Alleinstehenden zu Familien durch. Hat eine Versicherung somit einen höheren Anteil »teuerer« Risiken (z. B.Familien oder Rentner), so besitzt sie eine schlechtere Risikostruktur. Seit 1996 ist Wettbewerb zwischen den Krankenkassen möglich. Um gleiche Ausgangsbedingungen für die Kassen zu schaffen, soll der Risikostrukturausgleich unterschiedliche Risikostrukturen kompensieren. Bestimmte Kassen wie die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) erhalten aufgrund ihrer historisch ungünstigen Risikostruktur einen Ausgleich. Die Kassen sollen durch Wettbewerb untereinander zu effizienter Mittelverwendung angehalten werden.

Universal-Lexikon. 2012.

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